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30.12.2025

Insolvenzverwalter wechselt Kanzlei: Mitnahme der begonnenen Insolvenzverwaltungsmandate kein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch

Bei einem Streit über die Umsatzsteuerpflichtigkeit einer Leistung sind die Zivilgerichte nicht an eine bloße Umsatzsteueranmeldung der Klägerseite gebunden, wenn nicht zugleich gesichert ist, dass die Steuerrechtslage im Steuerrechtsverhältnis des Beklagten zu seinem Finanzamt gleich beurteilt wird und die Neutralität zwischen Umsatzsteuerlast und Vorsteuerabzug gewahrt bleibt. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg entschieden.

Es stellt zugleich klar, dass im bloßen Wechsel eines angestellten Insolvenzverwalters von einer Insolvenzverwalterkanzlei in eine andere unter "Mitnahme" der bereits begonnenen Insolvenzverwaltungsmandate kein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch liegt.

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, die an die Klägerin wegen seines Ausscheidens zeitanteilig abzuführenden Insolvenzverwaltervergütungen mit oder ohne Umsatzsteuer zu zahlen. Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung. Der Beklagte war zunächst für die sie als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter tätig. Sodann wechselte er in eine andere Insolvenzverwalterkanzlei.

Das LAG lehnt eine Umsatzsteuerpflicht gemäß § 1 Absatz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz ab. Denn jedenfalls habe kein umsatzsteuerpflichtiger Leistungsaustausch stattgefunden.

Grundtatbestand bei der Umsatzsteuer sei der Leistungsaustausch, an dem als Leistender ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens im Inland beteiligt ist. Der Leistende muss laut LAG an einen Leistungsempfänger eine Leistung erbringen, der eine Gegenleistung gegenübersteht. Es müsse also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen. Daran fehle es hier.

Er liege jedenfalls nicht in der Erbringung von Insolvenzverwalterleistungen durch den Beklagten. Dieser habe als Insolvenzverwalter zwar Leistungen erbracht. Dieser Leistungsaustausch sei aber nicht im Verhältnis zur Klägerin, sondern im Verhältnis zu den Insolvenzmassen erfolgt, so das LAG.

Die Leistung eines Insolvenzverwalters sei erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erbracht, fährt das Gericht fort. Daher könne dahinstehen, ob für den Zeitpunkt des  Entstehens der Umsatzsteuer auf die Ausführung der Leistung abzustellen ist oder auf den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts. Beide Zeitpunkte lägen innerhalb der Zeit, in denen der Beklagte bereits für die neue Kanzlei tätig war. Diese habe auch zutreffend die volle Umsatzsteuer auf die vollständigen Insolvenzverwaltervergütungen an das Finanzamt abgeführt.

Das LAG lehnt es auch ab, einen Leistungsaustausch in einem etwaigen "Rückkauf" des Insolvenzverwaltermandats zu sehen. Denn ein solcher sei nicht notwendig gewesen – und habe demnach auch nicht stattgefunden. Die Insolvenzverwaltung sei nämlich ein höchstpersönliches Amt, von dem juristische Personen ausgeschlossen seien. Der Beklagte habe dieses Amt durchgehend innegehabt und zu keinem Zeitpunkt an die Beklagte "verloren", auch nicht durch die Vorausabtretung der Vergütungsansprüche.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12.11.2025, 4 Sa 5/25