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18.11.2025

Rund 80 Millionen Euro Steuerschaden: Durchbruch bei Umsatzsteuer-Betrugsfall

Nach Durchsuchungen in 17 Ländern stehen die Ermittlungen des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität Nordrhein-Westfalen (LBF NRW) bei einem Großverfahren rund um ein Umsatzsteuerkarussell kurz vor dem Ende. Bei seinem Besuch der Regionalabteilung in Bielefeld schilderten die Fahnder NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) ihre Erfahrungen.

Bei dem aktuellen Großverfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung sprächen die Steuerfahnder schon nicht mehr von einer Bande, so das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen. Es handele sich ihren Ermittlungen zufolge vielmehr um ein Netzwerk aus diversen kriminellen Banden – ein Verbrecher-Cluster. Vor vier Jahren hätten die Vorermittlungen wegen Hinweisen auf großangelegte Steuerhinterziehung bei internationalen Geschäften mit Smartphones begonnen, ausgehend von einem verdächtigen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen. Die Nachforschungen der Steuerfahndung im Auftrag der Europäischen Staatsanwaltschaft gipfelten laut nordrhein-westfälischem Finanzministerium im Jahr 2024 in einer konzertierten europaweiten Razzia: 180 Ermittlungsmaßnahmen in 17 Staaten Europas seien koordiniert worden, die Fahnder aus Bielefeld hätten allein 79 Durchsuchungen in elf Staaten abgedeckt. Dabei hätten sie mehr als 41 Terrabyte Daten sichergestellt – ein einziges Terrabyte umfasse bis zu 6,5 Millionen Dokumente. Danach habe die Mammutauswertung begonnen.

Für Optendrenk zeigen die Ergebnisse der Ermittlungskommission, dass kriminelle Strukturen einen Teil des Elektronikmarktes übernommen haben und mit gefälschten Lieferketten nicht nur gezielt Steuererstattungen provozieren, obwohl nie Umsatzsteuer gezahlt wurde, sondern auch Warenwerte vermutlich in Milliardenhöhe verbilligen und dann wieder in den legalen Verkauf schleusen.

"Die Drahtzieher sind extrem vernetzt und sehr gut ausgebildet", verdeutlicht Jochen Parth, Leiter der LBF-Regionalabteilung Ost-Westfalen. "Sie sind digital bewandert und sehr mobil, ihre Struktur ist bewusst dezentral und über mehrere Staaten innerhalb und außerhalb der EU aufgebaut." Außerdem bedienten sie sich alternativer Zahlungsverkehre, "um es uns zu erschweren, die Spur des Geldes von Grenze zu Grenze zu verfolgen." Im aktuellen Fall habe es nun diverse Festnahmen im In- und Ausland sowie Vermögensarreste in Millionenhöhe gegeben. Die Ermittlungskommission des LBF NRW fertige derzeit ihren Abschlussbericht an, um eine Anklageerhebung in Nordrhein-Westfalen zu ermöglichen.

"Der Fall zeigt beispielhaft die unbedingte Notwendigkeit für unsere Steuerfahndung, sich international zu vernetzen", sagt Stephanie Thien, Leiterin des LBF NRW. Aber auch die Herausforderung von großen Mengen digitaler Asservate würden hier offenbar. Das nordrhein-westfälische Finanzministerium habe hier ein gemeinsames Forschungsprojekt des LBF NRW mit dem Fraunhofer IAIS auf den Weg gebracht, in dem aktuell der Einsatz eines eigenen KI-Tools zur Auswertung von Massendaten erprobt werde.

Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, PM vom 17.11.2025