11.11.2025
Die Einführung von "Pillar Two", der globalen Mindeststeuer nach dem Modell der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), benachteiligt europäische Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim und der Tax Foundation.
Nach Angaben des ZEW quantifiziert die Untersuchung erstmalig die Verwaltungskosten der neuen Steuerregeln für multinationale Konzerne mit Sitz in der EU. Demnach entstehen den Unternehmen einmalige Implementierungskosten von insgesamt bis zu zwei Milliarden Euro sowie jährliche Folgekosten von bis zu 865 Millionen Euro. Besonders betroffen wären große Unternehmensgruppen, die in mehreren EU-Ländern tätig sind. Da andere große Volkswirtschaften die Regelungen voraussichtlich nicht umsetzen, entstünden zudem finanzielle Standortnachteile für die EU.
"Ohne eine internationale Abstimmung droht die Mindeststeuer zu scheitern", erklärt Johannes Gaul, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich "Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft". "Wenn von manchen Volkswirtschaften die Umsetzung von Pillar Two verzögert wird oder gar nicht erst stattfindet, dann funktioniert das System nicht wie ursprünglich beabsichtigt."
Die Einführung der globalen Mindeststeuer verlaufe international uneinheitlich. Während die EU und einige weitere Staaten die Regeln bereits umgesetzt hätten, zögerten große Volkswirtschaften wie die USA, China oder Indien. Dadurch entstehe ein asymmetrisches System, in dem europäische Unternehmen die zusätzlichen Verwaltungskosten tragen, während ihre Konkurrenten in anderen Märkten weiterhin von einfacheren Regelungen profitieren, so die ZEW.
Stärker noch als die Implementierungs- und Folgekosten werde die Wettbewerbsverzerrung durch die lückenhafte Umsetzung der Pillar-Two-Regelungen von großen internationalen Standorten beeinflusst. Dies könne Investitionsentscheidungen beeinflussen und langfristig zu einer Standortverlagerung führen. So ist es aus Sicht der Forschenden empfehlenswert, die Einführung international stärker zu koordinieren und Ausnahmeregelungen für EU-Unternehmen zu prüfen, falls wesentliche Handelspartner die Reform dauerhaft nicht übernehmen.
Laut der Studie sind die hohen Umsetzungskosten und die Komplexität der neuen Vorschriften eine weitere Herausforderung. Um die Steuerbasis nach den Vorgaben der OECD korrekt zu berechnen, müssten Unternehmen zusätzliche Daten erfassen und auswerten. Dazu zählten unter anderem Anpassungen zwischen handels- und steuerrechtlicher Bilanzierung, die Berücksichtigung von Verlustvorträgen sowie die länderspezifische Ermittlung effektiver Steuersätze. Viele Unternehmen müssten dafür ihre IT-Systeme anpassen und ihre internen Prozesse neu strukturieren.
Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, PM vom 06.11.2025