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29.10.2025

Versorgungsbezüge aus früherer inländischer Betriebsstätte: Sind beschränkt steuerpflichtig

Versorgungsleistungen, die aufgrund einer früheren gewerblichen Tätigkeit im Inland bezogen werden, sind inländische nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 49 Absatz 1 Nr. 2a Einkommensteuergesetz (EStG). Ist "auslösendes Moment" für die Zahlung der Versorgungsbezüge die gewerbliche Tätigkeit im Rahmen der früheren inländischen Betriebsstätte, sind diese Bezüge auch abkommensrechtlich weiterhin dieser früheren inländischen Betriebsstätte zuzuordnen. Das gilt laut Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg auch dann, wenn diese im Zeitpunkt der Auszahlung nicht mehr besteht und der Versorgungsleistungsempfänger inzwischen in ein anderes Land verzogen ist.

Der Kläger war bis 2014 als Versicherungsvertreter für die Versicherung XY tätig und erzielte daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Seinen Gewinn ermittelte er gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich. Nachdem er die Tätigkeit in 2014 aufgegeben hatte, erhielt er in den Streitjahren 2015 bis 2020 neben einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung Versorgungsleistungen aus dem Vertreterversorgungswerk der XY. Der Kläger gab seine Wohnung in Deutschland auf und zog in die Slowakei. Die Versorgungsleistungen wurden weder in den Gewinnermittlungen während seiner aktiven Tätigkeit bis 2014 noch im Rahmen der Betriebsaufgabebilanz 2014 einkommensteuerlich berücksichtigt. Der Kläger erklärte und versteuerte die Versorgungsleistungen in den Streitjahren in der Slowakei.

Das Finanzamt unterwarf diese der beschränkten Steuerpflicht. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzamt habe die an den Kläger in den Streitjahren gezahlten Versorgungsleistungen zutreffend in Deutschland der Einkommensteuer unterworfen, meint das FG. Die Versorgungsleistungen unterlägen gemäß § 1 Absatz 4, § 49 Absatz 1 Nr. 2a EStG in Deutschland der beschränkten Einkommensteuerpflicht. Zudem stehe Deutschland nach Artikel 7 Absatz 1 Satz 1 DBA-Slowakei das Besteuerungsrecht zu.

Nach nationalem Recht handele es sich bei den in den Streitjahren gezahlten Versorgungsleistungen um inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 49 Absatz 1 Nr. 2a EStG, die gemäß § 1 Absatz 4 EStG in Deutschland der (beschränkten) Einkommensteuerpflicht unterlägen, weil der Kläger in den Jahren 2015 bis 2020 im Inland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe.

Die an ihn in den Streitjahren gezahlten Versorgungsleistungen führten zu nachträglichen Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 24 Nr. 2 EStG. Für diese werde im Sinne des § 49 Absatz 1 Nr. 2a EStG auch eine Betriebsstätte unterhalten. Zwar habe der Kläger vor den Streitjahren seinen Gewerbebetrieb bereits aufgegeben und im Zeitpunkt der Auszahlung der Versorgungsleistungen keine inländische Betriebsstätte mehr innegehabt. Allerdings reiche es für § 49 Absatz 1 Nr. 2a EStG aus, dass die Einkünfte ihre Veranlassung in einer ursprünglich betriebenen inländischen Betriebsstätte hatten.

§ 49 Absatz 1 Nr. 2a EStG sei seinem Sinn und Zweck entsprechend weit auszulegen. Entscheidend sei, dass die an den Kläger gezahlten Versorgungsleistungen ihre Veranlassung in seiner aktiven Tätigkeit bei der XY gehabt hätten und zu einer Zeit "erdient" worden seien, als dieser eine Betriebsstätte unterhalten habe.

Das hiernach begründete innerstaatliche Besteuerungsrecht wird laut FG auch nicht nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Slowakai (DBA-Slowakei) ausgeschlossen. Die Zuweisung des Besteuerungsrechts bestimme sich für die an den Kläger gezahlten Versorgungsleistungen abkommensrechtlich nach Artikel 7 DBA-Slowakei und nicht nach dessen Artikel 19. Nach letzterem könnten vorbehaltlich des Artikels 18 Absatz 1 Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbstständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden. Artikel 19 DBA-Slowakei regele somit lediglich die Besteuerung der Bezüge, die für ein früheres privates Arbeitsverhältnis bezahlt würden, wohingegen Ruhegehälter beziehungsweise – wie hier – Versorgungsbezüge für eine vorangegangene selbstständige Tätigkeit nicht von dieser Vorschrift erfasst seien.

Gemäß dem hiernach einschlägigen Artikel 7 Absatz 1 Satz 1 DBA-Slowakei könnten Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übe seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. Übe es seine Tätigkeit in dieser Weise aus, könnten die Gewinne des Unternehmens gemäß Artikel 7 Absatz 1 Satz 2 DBA-Slowakei in dem anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden könnten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), der sich das FG anschließt, komme es für die abkommensrechtliche Abgrenzung der Betriebsstätteneinkünfte auf das der jeweiligen Betriebsstätte tatsächlich zuzuordnende Vermögen und das in der Betriebsstätte erwirtschaftete Ergebnis an (so genanntes Veranlassungsprinzip). Soweit Gewinne einer vormaligen, in Deutschland gelegenen Betriebsstätte zugerechnet werden könnten, stehe das Besteuerungsrecht demnach abkommensrechtlich weiterhin Deutschland zu. Dieser Zuordnung stehe nicht entgegen, dass die Betriebsstätte, in der die Gewinne erwirtschaftet worden seien, zum Zeitpunkt des Einkünftebezugs nicht mehr besteht.

Als "auslösendes Moment" für die Zahlung der Versorgungsbezüge sieht das FG die Tätigkeit des Klägers als Versicherungsvertreter für die Versicherung XY im Rahmen seiner inländischen Betriebsstätte. Die Versorgungsbezüge seien daher weiterhin der (früheren) inländischen Betriebsstätte zuzuordnen. Eine Doppelbesteuerung in der Slowakei würde gemäß Art. 23 Absatz 2a Satz 1 DBA-Slowakei dadurch vermieden, dass die Slowakei die Versorgungsbezüge von der Besteuerung ausnehme und diese gemäß Art. 23 Absatz 2a Satz 2 DBA-Slowakei lediglich einem gegebenenfalls bestehenden Progressionsvorbehalt unterwerfe. Gegebenenfalls könne der Kläger, der die Versorgungsbezüge bereits in der Slowakei versteuert habe, ein Verständigungsverfahren im Sinne des Artikels 25 Absatz 1 DBA-Slowakei einleiten.

Gegen das Urteil des FG wurde Revision eingelegt. Diese läuft beim BFH unter dem Aktenzeichen V R 2/25.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28.11.2024, 12 K 549/23, nicht rechtskräftig