16.09.2025
Vermögensverluste aus einem Trickbetrug, bei dem die Täter einem älteren Menschen am Telefon die Notlage eines nahen Angehörigen vortäuschen, können bei der Steuer nicht als außergewöhnliche Belastungen in Ansatz gebracht werden. Das geht aus einem Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster hervor.
Eine 77-Jährige erhielt einen Telefonanruf. Der Anrufer gab an, Rechtsanwalt zu sein, und teilte der älteren Dame mit, ihre Tochter habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht. Die deshalb drohende Untersuchungshaft könne durch Zahlung einer Kaution von 50.000 Euro vermieden werden. Die Frau ging zu ihrer Bank, hob den Betrag in bar ab und übergab ihn einem Boten. Nachdem sie den Trickbetrug durchschaut hatte, erstattete sie Anzeige. Das Strafverfahren wurde jedoch eingestellt, weil die Täter nicht ermittelt werden konnten.
Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid Einkünfte der Frau aus der Vermietung von sechs Objekten sowie Renteneinkünfte. Die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen aus dem Betrugsverlust erkannte es nicht an: Schließlich hätten der 77-Jährigen zumutbare Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden. Die Betrugsgeschädigte meint hingegen, sich aufgrund der Täuschung in einer Zwangslage befunden zu haben.
Ihre Klage blieb erfolglos: Auch das FG wollte in dem Vermögensverlust keine außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 Einkommensteuergesetz sehen. Die Aufwendungen seien zunächst nicht außergewöhnlich, da sich bei der Klägerin ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht habe. Sie sei Opfer einer Betrugsmasche geworden, die potenziell jeden treffen könne, auch wenn viele Angerufene den Betrugsversuch schnell durchschauten. Der Vermögensverlust sei auch nicht deshalb ausnahmsweise abzugsfähig, weil es sich um einen Gegenstand des lebensnotwendigen Bedarfs gehandelt hätte. Vielmehr habe die Klägerin den Betrag als liquide Mittel zur Verfügung gehabt und sei hierauf aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse auch nicht lebensnotwendig angewiesen gewesen.
Darüber hinaus fehle es auch an der Zwangsläufigkeit. Hierbei zog das Gericht – unabhängig von der strafrechtlichen Einordnung der Tat als Betrug - die zu Erpressungen ergangene Rechtsprechung heran, wonach eine zweistufige Prüfung vorzunehmen sei. Danach scheide eine Zwangsläufigkeit von vornherein aus, wenn sich das Opfer durch strafbares oder sozialwidriges Verhalten selbst erpressbar gemacht habe. Dies sei bei der vorliegend von den Tätern zufällig ausgewählten Klägerin nicht der Fall. Daher sei weiter zu prüfen, ob zumutbare Handlungsalternativen vorlagen, die den Erpressungsversuch mit einiger Sicherheit wirkungslos gemacht hätten.
Da die Zwangslage objektiv zu beurteilen sei und vorliegend keinerlei Gefahr für die Tochter der Klägerin vorgelegen habe, sei es der Klägerin objektiv zumutbar gewesen, zunächst zu ihrer Tochter oder zur Polizei Kontakt aufzunehmen. Selbst wenn die vorgegebene Verhaftung der Tochter gedroht hätte, wäre es zumutbar gewesen, den Betrag nicht zu zahlen, da eine den rechtsstaatlichen Vorschriften entsprechende Anordnung der Untersuchungshaft in Deutschland keine Gefahr für Leib und Leben darstelle. Vor diesem Hintergrund hat das FG die Frage der sittlichen Verpflichtung zur Übernahme der Kaution für die Tochter offengelassen und deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht aufgeklärt.
Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Finanzgericht Münster, Urteil vom 02.09.2025, 1 K 360/25 E, nicht rechtskräftig