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22.06.2022

Zimmerüberlassung im Sperrbezirk: Keine umsatzsteuerfreie Vermietung

Die Überlassung von Zimmern in so genannten Steigen im Sperrgebiet auf St. Pauli ist nicht als umsatzsteuerfreie Vermietung zu qualifizieren, wenn mit der Zimmerüberlassung ein Bündel von Leistungen erbracht wird, das der Zimmerüberlassung den Charakter eines Mietverhältnisses nimmt. Dies stellt das Finanzgericht (FG) Hamburg klar.

Der Kläger war Mieter von zwei Immobilien auf St. Pauli, die im Gebiet der Sperrverordnung liegen (das heißt, Prostitution ist in der Zeit von 20.00 bis 6.00 Uhr erlaubt). Ein weiteres Objekt hatte er in der H-Straße angemietet, in der keine Beschränkungen für die Prostitution gelten. Die einzelnen Zimmer der so genannten Steigen überließ er zu einer "Tagesmiete" an Prostituierte, die in den Zimmern sexuelle Dienstleistungen erbrachten. Der Kläger hatte in der Vergangenheit aus der Nutzungsüberlassung umsatzsteuerpflichtige Erlöse erklärt.

Nachdem der Bundesfinanzhof am 24.09.2015 ein Urteil des FG Hamburg aufgehoben und auch die halbstündige Überlassung von Zimmern in einem so genannten Stundenhotel als umsatzsteuerfreie Vermietung angesehen hatte, berief sich der Kläger im Streitjahr 2016 auf die Umsatzsteuerfreiheit seiner Vermietungsleistungen. Dem folgte das Finanzamt zunächst für einige Vorauszahlungsmonate, blieb aber mit der Einspruchsentscheidung über den Umsatzsteuerjahresbescheid dabei, dass neben der Zimmerüberlassung ein "rund-um-sorglos-Paket" für die Prostituierten erbracht werde, das die Grenzen passiver Vermietungsleistungen überschreite.

Dem ist das FG Hamburg nach Durchführung einer Beweisaufnahme gefolgt. Neben der Überlassung der Zimmer seien in allen Steigen auf Veranlassung des Klägers Wirtschafter oder im Fall der H-Straße Wirtschafterinnen tätig, die die Prostituierten betreuten und für ihre Sicherheit sorgten. Zudem erhielten die Prostituierten durch die Anmietung der Steigen-Zimmer die tatsächliche Möglichkeit, auf bestimmten öffentlichen Plätzen, die quasi "gewohnheitsrechtlich" einzelnen Steigen zugewiesen seien, Freier zu akquirieren unter Ausschluss "steigenfremder" Prostituierter, während sie in der H-Straße für die Akquise einen so genannten Kober mit Schaufenstern nutzen könnten. Zusätzlich würden weitere Leistungen wie die Bereitstellung einer Alarmanlage und Videoüberwachung sowie Catering erbracht.

Mit diesem Bündel von Leistungen sei, so das Gericht, die Grenze einer passiven Vermietungsleistung überschritten. Die Nutzungsüberlassung habe eher bordellartigen Charakter erlangt. Damit ist laut FG Hamburg vorerst eine Streitfrage entschieden, die bereits in den Fokus des Rechnungshofes geraten war (Jahresbericht des Rechnungshofes 2022, Besteuerung des Rotlichtgewerbes in Hamburg). Die Revision wurde nicht zugelassen.

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 17.05.2022, 2 K 9/20